MEHRSPRACHIGKEIT UND MEHRSPRACHIGKEITSDIDAKTIK

Sprachliche und außersprachliche Faktoren des Gerichtsdolmetschens – Vorbereitungen und erste Ergebnisse eines Forschungsprojektes

Márta FARKASNÉ PUKLUS

Universität Miskolc

 

In den letzten Jahren steigt das Interesse am Thema Gerichtsdolmetschen sowohl in der Europäischen Union als auch in Ungarn. Man kann vieles darüber in der internationalen, in der deutschsprachigen (Kadrić 2009, Pöllabauer 2006), wie auch in der englischsprachigen Literatur (Angelelli 2004, Hale 2004, Jacobsen 2003, Morris 1995) lesen, allerdings wurden in Ungarn noch keine Forschungen in diesem Bereich durchgeführt. Im Rahmen des Vortrages möchte ich die Vorbereitungen des Forschungsprojektes, die Schwierigkeiten beim Einholen der Genehmigungen schildern und die Konflikte erörtern, die sich aus der vielfältigen Rolle des Gerichtsdolmetschers ergeben. Ist es eindeutig, was vom Gerichtsdolmetscher erwartet wird? Auf diese Frage suche ich Antworten im Rahmen des Forschungsprojektes, das aus drei wesentlichen Elementen besteht. Im Vortrag möchte ich ein Element des Projektes, die Umfrage unter den Richtern vorstellen und auf die Ergebnisse der bereits durchgeführten ersten und zweiten Phase näher eingehen.

 

Zur Repräsentation der Mehrsprachigkeit bei Aphasikern

Urszula NIEKRA

Jan Kochanowski Universität Kielce

 

Eine der wohl interessantesten Fragestellungen ist die Verbindung zwischen Sprache und Gehirn. In dem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie die Mehrsprachigkeit bei Aphasikern repräsentiert ist. Fokussiert werden dabei  ihre psycho- und neurobiologische Modelle.  Welche Auswirkung hat ein Schlaganfall auf das Sprachzentrum im Gehirn? Es muss betont werden, dass in der „Beobachtung an Kranken, deren Hirnschäden man genau umschreiben kann, nach wie vor die bedeutendste Quelle für Modellbildungen von Lernprozessen und Gedächtnisfunktionen” gesehen werden sollte (vgl. G. List 2002:127). Die neuste Aphasieforschung ist im Zusammenhang damit eine der wenigen Möglichkeiten, überhaupt Aufschluss über die Repräsentationen der sprachlichen Aktivitäten im Gehirn zu erlangen (vgl. B. Sadownik 2010:331). Gilt die Vorstellung von der  getrennten Repräsentation der einzelnen Sprachen eines Mehrsprachigen in unterschiedlichen Regionen des Gehirns. Es wird auch kurz auf die Terminologie, Ursachen  und Entstehung der Aphasie eingegangen.  Im nächsten Teil liegt der Fokus auf Faktoren bei, die bei der sprachlichen Restitution von bilingualen Aphasikern eine bedeutende Rolle spielen.

 

Mehrsprachigkeit im deutschen Rap – auf der Suche nach der neuen Identität oder nur eine künstlerische Maßnahme?

Małgorzata DERECKA

Uniwersytet Warińsko-Mazurski in Olsztyn

 

Die nach Globalisierung ausgerichtete und davon geprägte Politik vieler Industrieländer baut viele Grenzen ab, auch die Sprachgrenzen. Die heutige Migrationswelle scheint kein schnelles Ende zu finden. Diejenigen, die nach etwas Besserem ausschauen und woanders nach ihrer neuen Heimat suchen, sind moderne Vermittler zwischen Kulturen und  Sprachen, zwischen dem Fremden und dem Gemeinsamen. Nirgendwo  wird man aber zu Hause sein, bevor man in dem neuen Nest seine eigene, neugebildete, aus dem Alten abgeleitete und in das Neue eingeflochtene sprachliche Identität findet. Eine besondere Art der Sprachwandlung ist in dem deutschen Rap zu beobachten, der von zahlreichen Rappern mit Migrationshintergund geschaffen wird. Einer der bekanntesten deutschen Rapper mit Migrationshintergrund ist Aykut Anhan, bekannt unter seinem Künstlernamen Haftbefehl. Der in Deutschland geborene junge Mann türkisch-zazaisch-kurdischer Abstammung trägt seit 2010 durch die Veröffentlichung seines ersten Albums “Azzlack Stereotyp” und weiteren Alben zu der Entfaltung der deutschen Sprache bei. Da Rap-Musik schon längst über ihre ursprünglich definierte Grenze der Plauderei und guter Unterhaltung reicht und immer häufiger zu einem Sprachrohr über die gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und sozialen  Probleme wird, bilden die Songtexte ein besonderes Korpus der zu untersuchenden Neubildungen und modernen Sprachentwicklungen des Deutschen. So wird in dem Referat das Patchworkartige im deutschen Rap erforscht und somit der Versuch unternommen, die Frage zu beantworten, ob die künstlerischen Bemühungen von Haftbefehl nur eine Art Wortspiel, eine Provokation bedeuten oder ein Mittel zur Findung einer Bindungssprache zwischen der verlorenen und der noch zu gewinnenden Identität sind.

 

Deutsche sind hilfsbereit, aber verschlossen. Affektive Komponenten der Einstellung ungarndeutscher Jugendlicher zur deutschen Sprache und ihrer Sprecher

Elisabeth KNIPF-KOMLÓSI – Márta MÜLLER

Eötvös Loránd Universität

 

Im Mittelpunkt des Vortrags stehen Einstellungen ungarndeutscher Jugendlicher im Alter von 17 bis 21 Jahren zu den nationalen Varietäten des Deutschen sowie zu den prototypischen Sprechern der betreffenden Länder. Im Vortrag wird nach der Klärung der Deutschkompetenzen der Probanden sowie dessen, welche Wissensinhalte an zweisprachigen Gymnasien über die deutschsprachigen Länder vermittelt werden, darauf eingegangen, wie gut ihnen die nationalen Standards des Deutschen gefallen, inwieweit sie diese verständlich, kompliziert und nützlich finden und wo ihrer Meinung nach das schönste Deutsch gesprochen wird. Die der deutschen Sprache gegenüber geäußerten Wertungen werden durch die Einstellungen gegenüber dem typischen Bundesdeutschen, Österreicher und Schweizerdeutschen ergänzt. Der Vortrag schließt mit der Meinung der Jugendlichen darüber, welche Perspektiven und Rolle sie der deutschen Sprache in Ungarn und Europa beimessen.

 

Die Erfahrungen von Sprachverbot, Sprachwechsel und Spracherhalt in der deutschen Minderheit in der Tschechoslowakei und in Ungarn

Ákos BITTER – Ingrid HUDABIUNIGG

Universität Regensburg – Berlin/Pardubice

 

Unser Beitrag legt den Fokus auf die Sprachbiographien von deutschen Muttersprachlern, die nach dem Zweiten Weltkrieg  in der Tschechoslowakei und in Ungarn geblieben waren. Im Mittelpunkt der Analyse steht die Erstsprache Deutsch, ihr Verlust und ihre teilweise Bewahrung und Weitergabe an die nächsten Generationen. Die Daten wurden mittels des narrativen Interviews erhoben, das die individuelle Biographie innerhalb des breiteren Rahmens der ethnischen und sprachlichen Zugehörigkeit des Individuums hervorruft. Transkribiert wurden diese Interviews mit Hilfe des in der Konversationsanalyse entwickelten und international verwendeten Systems GAT (Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem). Zusätzlich zu dem Interview kamen strukturierte Fragebögen zur Erhebung der wichtigsten Lebensdaten zum Einsatz. In der Tschechoslowakei wurden nach 1945 3,2 Millionen Deutsche vertrieben und aufgrund der Dekrete der Regierung vollständig enteignet. Einige Tausend blieben jedoch im Land. Ihre Erinnerungen sind durch sehr negative Erfahrungen geprägt, wobei das Verbot der Verwendung der Muttersprache, das zentrale Trauma ist. Aufgrund der Diskriminierung mussten sie auch ihre ethnische Identität weitgehend verbergen. Interessante Ergebnisse sind jedoch die teilweise Weitergabe des Deutschen an die nächste und noch die übernächste Generation. Die Situation in Ungarn ist nur teilweise vergleichbar, da sich die hier lebenden Deutschen aus politischer Sicht schon seit Jahrhunderten als Ungarn (nicht Magyaren!) betrachtet haben. Zudem hat die zunehmende Verselbständigung von Ungarn innerhalb der k.u.k. Monarchie nach 1867 zum Abbau des deutschen Bildungswesens geführt. Folglich haben zur Zeit des 2. Weltkrieges die meisten Ungarndeutschen Ungarisch gekonnt. Wir wollen in unserem Beitrag auf die Gründe von Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten eingehen. Vergleichbare Beispiele zum Thema des Sprachverbots und der ethnisch-sprachlichen Stigmatisierung sollen vorgestellt werden.

 

Der Sprachkontakt in industrialisierten Orten des Teschener Schlesien im 19. Jahrhundert

Grzegorz CHROMIK

 

Das Teschener Schlesien war vom Mittelalter an mehrsprachig – deutsch, polnisch, tschechisch. Die Industrialisierung und der Eisenbahnbau des 19. Jahrhunderts verursachte die Entstehung neuer Siedlungen, in denen ganz andere sprachliche Kontaktbeziehungen herrschten als in den alten Städten und Dörfern des Landes. Die erhaltenen Bögen der österreichischen Volkszählungen und andere amtliche Akten lassen diese Verhältnisse näher untersuchen.

 

Die deutschen Mundarten in Transkarpatien (Ukraine)

Olha HVOZDYAK

Nationale Universität Uschhorod

 

Der Beitrag setzt sich zum Ziel, kurz die Geschichte und den gegenwärtigen Stand der deutschen Ansiedlung darzustellen und ihren Einfluss auf den Wortbestand anderer Sprachen bzw. Mundarten im polyethnischen Raum von Transkarpatien zu analysieren. Die Deutschen siedelten sich aus verschiedenen deutschsprachigen Regionen in den oberungarischen Komitaten Bereg, Marmorosch und Ung an. Die Ansiedlung begann Ende des 17. Jh., erreichte ihren Höhepunkt in der Mitte des 18. Jh. und endete in den ersten Jahrzehnten des 19. Jh. Die Deutschen, die in Transkarpatien bis heute die deutsche Sprache und deren Mundarten sprechen, sind Nachkommen der fränkischen, österreichischen, zipzerischen und böhmischen Kolonisten des 18. und 19. Jahrhunderts. Sie bildeten nach der Ankunft in ihrem neuen Siedlungsgebiet drei größere Sprachinseln: 1. die mainfränkische im Raum von Mukatschevo, 2. die südbairische (salzburgische) im Teresvatal, 3. die böhmerdeutsche im Raum zwischen Mukatschevo und Svaljava. Während fast 300 Jahre, seit die Karpatendeutschen in anderssprachiger Umgebung leben, kam es zu zahlreichen Kontaktbeziehungen mit der hiesigen Bewohnerschaft, d.h. Ukrainern, Ungarn, Slowaken, Rumänen u.a. Die Wechselwirkung fand ihren Ausdruck nicht nur im wirtschaftlichen und kulturellen Leben, sondern spiegelte sich im Lehngut aller hier gesprochenen Mundarten wider.

 

Theoretische Überlegungen zur Erforschung von Lernervarietäten        

Ágnes HUBER

Eötvös Loránd Universität

 

Das Konstrukt der Lernervarietäten gehört zu einem komplexen Forschungsbereich, der ein integriertes Vorgehen verschiedener Wissenschaften erforderlich macht. Ergänzend zu den Domänen der Zweitspracherwerbsforschung kommt der Systemlinguistik sowie der (Lerner)Korpuslinguistik bei der Beschreibung der L2-Erwerbssequenzen eine herausragende Rolle zu. Dabei wird der Schwerpunkt auf den Bereich der in natürlichen Kontexten produzierten geschriebenen Sprache fortgeschrittener Lerner gesetzt. Der Vortrag beabsichtigt, einen Einblick in das integrativ-interdisziplinäre Spracherwerbskonzept der Lernervarietäten sowie in mit der Theorie eng zusammenhängende Forschungsrichtungen zu geben. Die Zielsetzung der Präsentation ist Grundbegriffe zu klären und die wichtigsten themenbezogenen Definitionen und Theorien skizzenhaft darzustellen, ferner das methodologische Potential der Korpuslinguistik einsetzend Deutsch als L2 Output-Beispiele von fortgeschrittenen Lernern zu beschreiben.

 

„mein deutschtum ist illyés ja auch illyés“? Die ungarndeutsche Literatur zwischen ungarischer und deutscher Literatur

Gábor KEREKES

Eötvös Loránd Universität

 

Mit dem Neubeginn der ungarndeutschen Literatur in den 1970-er Jahren gab es nach einer von der ungarischen Politik erzwungenen Pause von mehreren Jahrzehnten erneut eine deutschsprachige Gegenwartsliteratur Ungarns, die – zugegebenermaßen – bescheiden begann, sich aber im Laufe kurzer Zeit auf ein beachtliches Maß entwickelte. Von Anfang an stand die Frage im Raum und wurde in vielen Texten der ungarndeutschen Literatur auch angesprochen, welcher literarischen Tradition, welchen literarischen Vorbildern man sich verbunden fühlt. Verständlicherweise boten sich die Literatur des deutschen Sprachraums und die ungarische Literatur als Vorbilder an: beide wurden im Laufe der Jahre auch als solche genannt, wobei sich der Schwerpunkt der Nennungen und Bezugnahmen langsam von der ungarischen auf die deutsche Literatur verlagerte. Der Beitrag möchte der Frage nachgehen, wie sich dieser Prozess abspielte und inwieweit hinter der behaupteten Bezugnahme eine tatsächliche Verbindung zu der einen oder der anderen Literatur aufgezeigt werden kann.

 

Die Übersetzung kultureller Referenzen in den Minutennovellen

Krisztina VARGA

Eötvös Loránd Universität

 

Minimythes – Choisis textes et du adaptés anglais par Tardos Tibor –  mit diesen Worten beginnt die französische Übersetzung der sog. Minutennovellen von István Örkény, die zwei Jahre nach dem Original erschienen ist. Adaptés – also angepasst. Kaum zuvor wurde eine Übersetzungsstrategie seitens des Autors so eindeutig angegeben und formuliert. Die Kurzgeschichten von  Örkény enthalten eine Reihe von kulturellen Referenzen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, vor allem aber aus den fünfziger und sechziger Jahren, deren Übersetzung ins Deutsche Schwierigkeiten darstellen kann, da für die Leser der Zielsprache bestimmte Phänomene unbekannt sein können. Mein Vortrag beschäftigt sich anhand von Textbeispielen mit der Frage, mit welchen Übersetzungsverfahren die kulturellen Referenzen in den Texten von den Übersetzern (ins Deutsche, ins Englische sowie ins Französische) überbrückt werden konnten.

 

Sprach- und Kulturkontakt in Ostösterreich im Spiegel der Namengebung:
Zur Vornamenwahl für Kinder mit türkischem Migrationshintergrund

Angela Bergermayer

Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien

Schon seit einigen Jahren findet ein starker Zuzug von Migrantinnen und Migranten aus der Türkei nach Österreich, insbesondere auch Ostösterreich mit dem Ballungsraum Wien, statt. Damit wurde der Kontakt zwischen der deutschen bzw. österreichischen und der türkischen Sprache und Kultur zu einem der für das heutige Österreich und seine Gesellschaft wesentlichsten Aspekte von Sprach- und vor allem auch Kulturkontakt.

Dieser Kontakt und seine sprachliche Manifestation lässt sich auch auf onomastischer Ebene untersuchen. Im größeren, über das rein Sprachliche hinausgehenden kulturellen und sozialen Kontext bietet sich dafür speziell die Vornamengebung an. In der Namenwahl von Migrantinnen und Migranten für ihre Kinder kann einerseits deren sprachlich-kulturelle Verbundenheit mit ihrem Herkunftsland, mit ihren eigenen Traditionen und Werten und andererseits ihre Orientierung an den sprachlich-kulturellen Gepflogenheiten am neuen Wohnort sowie ihre Integration in das neue sprach­liche und gesellschaftliche Umfeld zum Ausdruck kommen.

Wir wollen also näher betrachten, welche Vornamen Eltern, die aus der Türkei zugewandert sind und dann zur Zeit der Geburt ihrer Kinder in Ostösterreich wohnhaft sind, für ihre bereits in Österreich geborenen Kinder wählen. Der Vortrag steht damit im Zusammenhang mit dem von der MA 7 der Stadt Wien geförderten Projekt Vornamengebung im interkulturellen Kontext: Aktuelle Tendenzen der Vornamenwahl bei Kindern mit Migrationshintergrund in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Die Primärdaten liegen uns dank einer Kooperation zwischen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Bundesanstalt Statistik Österreich vor, in deren Rahmen die beiden genannten Institutionen zum Zweck der statistischen Aufbereitung und wissenschaftlichen Erforschung der in Österreich seit 1984 vergebenen Vornamen zusammenarbeiten.

Im Vortrag werden insbesondere folgende Forschungsfragen berücksichtigt: Welche sind die beliebtesten Vornamen für die Kinder mit türkischem Migrationshintergrund? Handelt es sich um „heimat­sprachliche“ oder um anderssprachige Namen, um konservative bzw. traditionelle, um religiöse Namen oder um „moderne“? Gibt es und gegebenenfalls inwieweit gibt es bei den von den MigrantInnen gewählten Namen Überschneidungen mit den in Österreich für österreichische Kinder insgesamt beliebtesten Vornamen im jeweiligen Jahr? Spielt die Bildung der Eltern für die Namenwahl eine Rolle und gegebenenfalls inwiefern?